Am 8. Juli 1945 richtete die britische Militärregierung in einem Teil des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Stalag X B Sandbostel eines von insgesamt neun britischen Zivilinternierungslagern für
Nationalsozialisten ein, das „No. 2 Civil Internment Camp“ (No. 2 CIC). Hier wurden etwa 5.000 männliche Internierte, überwiegend SS-Angehörige, untergebracht.
Gemäß einem Beschluss des Hauptquartiers der Alliierten Streitkräfte in Nordwesteuropa (SHAEF) von 1944 kamen zunächst Personen in „automatischen Arrest“ („automatic arrest“), die der aktiven
Unterstützung des Nationalsozialismus verdächtig waren. Der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg erklärte in seinem Urteil vom 1. Oktober 1946 das Korps der Politischen Leiter der NSDAP,
den Sicherheitsdienst (SD), die SS und die Gestapo zu verbrecherischen Organisationen und schuf damit die Voraussetzung einer strafrechtlichen Verfolgung ihrer Mitglieder und Mitarbeiter. Ein
Teil der Internierten aus Sandbostel wurde auf dieser Grundlage vor dem zuständigen Spruchkammergericht in Stade wegen aktiver Unterstützung des NS-Regimes angeklagt.
Die britischen Behörden verfolgten nach wenigen Wochen das Ziel der Umerziehung. Die internierten SS-Männer sollten demokratisches Verhalten einüben und bekamen Rechte wie das Herausgeben einer eigenen Lagerzeitung („Der Windstoss“) zugestanden.
Im Juni 1947 begannen die Strafverfahren vor dem Spruchkammergericht in Stade. Die Internierten wurden nicht wegen individueller Straftaten, sondern wegen ihrer Mitgliedschaft oder Mitarbeit in
einer verbrecherischen Organisation angeklagt. Durch das Spruchkammergericht ergingen 3.500 Urteile und Strafbescheide, die von mehreren Monaten bis zu sechs Jahren Haft reichten. Den Angeklagten
wurde die Internierungszeit in der Regel angerechnet, sodass sie nach dem Abschluss des Spruchgerichtsverfahrens vielfach bereits entlassen wurden. Nach der Entlassung des letzten Internierten am
9. März 1948 wurde das Internierungslager Sandbostel am 1. August 1948 geschlossen.
Ein Beispiel: Herbert Martin Hagen
Herbert Martin Hagen wurde 1913 als Sohn eines Zollinspektors in Neumünster geboren. Nach Abbruch einer kaufmännischen Lehre begann er 1934 eine Laufbahn im Hauptamt des Sicherheitsdienstes (SD)
in Berlin. Im Sommer 1937 wurde er zum Leiter des Referats II 112 für „Judenfragen“ ernannt und bestimmte in dieser Funktion die Verfolgungsmaßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung wesentlich
mit.
1940 ging Hagen als Außendienststellenleiter des Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD nach Bordeaux in Frankreich, wo er maßgeblich an der Deportation der jüdischen
Bevölkerung beteiligt war.
1945 kam Hagen in britische Internierungshaft, u. a. ins CIC Nr. 2 nach Sandbostel. Das Spruchkammergericht in Stade verurteilte ihn zu einem Jahr und sechs Monaten Haft. Die Strafe galt durch
die Internierung als verbüßt. 1980 wurde Herbert Hagen wegen der von ihm in Frankreich begangenen Verbrechen zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.
Weiterführende Literatur: